Sibylle Oellerich und Katharina Göbel über das Große im Kleinen, Miniaturen und Fotografie.
F: Wer seid Ihr und was macht Ihr?
SO: Ich bin Sibylle Oellerich, Ausstatterin eigentlich und Set-Designerin vielleicht und mache verschiedene Sachen. Hier beim Perspective Playground mache ich Miniaturen.
KG: Ich bin Katharina Göbel. Ursprünglich komme ich aus dem Textbereich. Aber ich bin netterweise vor ein paar Jahren mit Sibylle zusammengekommen und seit einem Jahr quasi unter ihrer Ausstatter-Fuchtel. Wir machen zusammen die Gestaltung von Räumen.
F: Wie nennt Ihr Eure Miniaturen und wie kam Euch die Idee dazu?
SO: Sie haben keinen Namen. Wir hatten im 25hours Hotel Berlin die Aufgabe, für jedes Zimmer ein interessantes Objekt zu besorgen. Da haben wir alte Koffer genommen, mit einem Guckloch, und darin eine Welt gebaut. Eine coole Berlin-Welt. Da hing dann einfach mal ein Schalter runter und wenn man den angemacht hat, kam Licht und man konnte reingucken und eine Welt entdecken. Das war der Anfang von unseren Miniaturarbeiten. Sozusagen Ausstattungsobjekte.
F: Wie viele kleine Welten habt Ihr schon gebaut?
KG: Das Witzige ist, dass ich solche Welten vor allem eher im Privaten gebaut habe.
SO: Ja das stimmt, Katharinas Wohnung ist voller kleiner Welten.
KG: Als Kind hab ich ganz klassisch viel mit Lego gebaut. Mit diesen Steinen hatte ich das Gefühl, kleine Welten erschaffen zu können. Als sie fertig waren, hab ich sie wieder eingerissen. Es war ein bisschen wie Gott spielen. Ich hatte kleine Figuren, die ich hier und dort positionieren und in Beziehung zueinander setzen konnte oder auch nicht. Viel spannender ist natürlich bei unseren jetzigen Arbeiten, dass wir diese Miniaturen in Beziehung zur großen Welt setzen und diese damit in ein ganz neues Licht rücken.
SO: Die Miniaturen eignen sich hervorragend für Botschaften. Man kann etwas Großes bildlich darstellen, und es bleibt trotzdem immer überschaubar.
F: Baut Ihr, um eine Botschaft zu kommunizieren, kleine Szenen in der Öffentlichkeit? Auf der Straße?
SO: Das funktioniert nicht. Die Sachen sind in zwei Sekunden weg. Der erste Mensch, der es sieht, nimmt es mit.
KG: Jedenfalls in der Größe geht es nicht. Es gibt diese Objekte auf Ampeln oder Laternen, die bleiben. Aber diese 1:87 Größe kann nicht funktionieren. Da würde keine Botschaft ankommen.
F: Gibt es einen Ort, an dem Ihr gern eine Botschaft aufstellen würdet?
SO: Auf dem Eiffelturm!
KG: So eine Fabrik wie hier, wo man mit den Gegebenheiten, wie Rissen oder Eisenträgern, spielen kann, ist schon spannend. Auch im Naturkontext wäre das sehr spannend.
SO: Eigentlich kann man sie überall aufbauen. Das ist wirklich das Tolle daran. Man braucht die richtigen Figuren, um das zu erzählen, was man erzählen möchte. Aber sie wirken sogar, wenn es etwas ganz Banales ist. Dann machen sie auch Spaß. Die Maler zum Beispiel sagen gar nichts. Die Aussage ist hier, in dieser riesigen Halle, die sie versuchen aufzuräumen, eher „wir kämpfen gegen Windmühlen“. Diese kleinen Leuten, die versuchen, den Schutt wegzuräumen. Das ist lustig. Man fühlt sich manchmal selbst so.
KG: Ich weiß nicht aus welchem Grund, aber ich dachte letztes Jahr auf einmal: Ich bin ein kleines Teilchen auf dieser großen Welt. Und irgendwie befreit dieses „kleine Teil“-Moment ganz schön. Es führt einem die Absurdität des Lebens vor – wie diese 3 Maler, die versuchen, diese riesige Halle zu weißen.
SA: Wenn ich vor meinem Leben stehe, fühle ich mich manchmal auch wie so ein Maler.
F: Fällt das Kleine manchmal mehr auf als das Große?
KG: Es überrascht vielleicht mehr. Man hat das Gefühl, wirklich was entdeckt zu haben. Man guckt dann mehr herum. Man ändert seine Perspektiven. Z.B. beim Postkartenbild sieht man die Kletterer auf den Gipfel zusteuern, aber man kann auch den Eisenträger runtergucken. Man kann sehr schön den Blick schweifen lassen und dabei viele Sachen entdecken.
F: Seid Ihr enttäuscht, wenn die Leute vorbeigehen und Eure Welten nicht wahrnehmen?
SO: Nee, das finde ich in Ordnung. Aber ich mag es, wenn Sachen entdeckt werden. Es ist immer so ein Stresspunkt gewesen, wenn wir wenig Zeit hatten und ich nicht loslassen wollte von unseren absurden Ideen. Wie z.B. auf einem großen Event in der Catering-Küche ganz viele Plastikwürste und Schinken von der Decke zu hängen. Man konnte sie durch die Küchentür sehen. Da musste man einfach lachen, weil es echt albern war. So etwas ist absolut mein Humor. Es haben vielleicht nur fünf Leute gesehen und gekichert.
KG: Das ist ein lustiges Verbindungsmoment. Es muss nicht die Masse sein.
F: Wie reagieren die Besucher auf Eure Objekte?
SO: Meistens grinsen sie.
F: Was ist Euch wichtiger beim Fotografieren? Eure Objekte gut zu fotografieren oder die Interaktion mit den Besuchern zu dokumentieren?
KG: Es ist eine gute Idee, aber es ist schwierig, weil man wahrscheinlich auf dem Bild entweder nur Kichernde oder, wenn die Miniaturen mit drauf wären, einen überraschten Menschen sehen würden. Aber es ist trotzdem eine gute Idee, das sollten wir machen. Bis jetzt haben wir uns beim Fotografieren nur auf unsere Objekte gestürzt.
SO: Mir ist das auch ein bisschen peinlich, wenn es Zuschauer gibt. Ich verschwinde dann gern.
F: Wie viele Arbeiten habt Ihr hier auf dem Playground?
SO: Es sind zwei Arbeiten, und dann haben wir noch ein paar Miniaturen hier und da aus Spaß aufgestellt. Die zwei Arbeiten spielen richtig mit Perspektiven. Die kleinen Leute finden etwas, wie zum Beispiel ein Foto, und bauen sich daraus ihre eigene Welt. Sie nehmen das Foto und machen etwas ganz anderes damit. Der Besucher geht rein, stellt sich davor und ist in einer neuen Welt. Wenn man es fotografiert, sieht es aus, als ob sie auf dem Berg sind. Diese ganzen Leute, die da hochwandern, gehen da nur hoch, um an diese Postkarte zu gelangen. Das ist das Ziel. Aus unserer Perspektive ist es eine alte, nicht besonders interessante, Postkarte. Für die aber ist es der Berggipfel. Das ist auch im echten Leben so. Da braucht man keine Miniaturfigur zu sein. Was für manche ein wunderbares Ziel ist, ist für andere wertlos. Man weiß nicht, wer Recht hat. Die Leute, die in der Postkarte etwas Wertloses sehen? Oder die Leute, die hochgehen und dabei Spaß haben?
Das zweite Werk im Kasten ist sehr ähnlich. Die kleinen Leute finden Begebenheiten vor und benutzen sie, um ihre Träume zu verwirklichen.
KG: Der Kasten hätte hier in der Fabrik gehangen haben können, als Putz- oder Arzneischrank. Es sind Alltagsrequisiten darin. Und mittendrin kreieren sich zwei Miniaturen im Schlauchboot auf einem Teller ihren schönen Moment – und werden dadurch groß. Sie werfen ihren Schatten auf ihren Sehnsuchtsort.
SO: Man versteht erst, was bei den beiden Welten los ist, wenn man sie durch die Kamera sieht. Man braucht einfach die Kamera, um zu erleben was da passiert.
Sibylle Oellerich und Katharina Göbel vielen Dank!
Foto © Miguel Martinez